Sprachaufenthalt Tropea Erfahrungsbericht von Daniela
Erfahrungsbericht
Mai, 2024 | Daniela
Nach unzähligen Stunden vor einer Italienisch-App, die mehr als einmal behauptete, ich sei „fast fliessend“, dachte ich: Es muss mehr geben als nur virtuelles Gelato und digitale Vokabeln. Also packte ich meinen Mut (und ein paar Schuhe zu viel) und buchte eine Sprachreise nach Tropea. Ich wollte echtes Italienisch lernen – nicht das, was man in einer staubigen Schulklasse büffelt, sondern das lebendige, melodische Italienisch, das man zwischen Espresso und Gelato auf einer Piazza plaudert. Tropea erschien als der perfekte Ort, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Es war Liebe auf den ersten Blick, oder eher Liebe auf den ersten Klick. Wer kann schon nein sagen zu malerischen Stränden, romantisch verfallenen Gassen und Sonnenuntergängen, die jeden Instagram-Filter überflüssig machen.
HUPEN IST IMMER EINE GUTE IDEE
Meine Ankunft am Flughafen von Lamezia Terme gleicht einer wilden Mischung aus hastigen Durchsagen, verwirrten Touristen und allzu entspannten Flughafenmitarbeitern, die das Chaos mit einer Gelassenheit hinnehmen, die man sonst nur in Yoga-Studios findet. Der Taxifahrer, der mich zur Gastfamilie bringen soll, ist ein lebendiges Lexikon auf vier Rädern. Während wir durch die malerischen Landschaften Kalabriens fahren, versorgt er mich mit einer leidenschaftlichen Einführung in die regionale Politik, die besten lokalen Gerichte und natürlich die ungeschriebenen Regeln des italienischen Strassenverkehrs, die anscheinend alle darauf hinauslaufen: "Hupen ist immer eine gute Idee." Jedes Gebäude, jeder Strauch und selbst der unscheinbarste Kreisverkehr haben eine Geschichte, die er mit Begeisterung erzählt. „Hier rechts“, sagt er, und deutete auf eine Pizzeria, „machen sie die beste Pizza Margherita seit 1983 – nicht, dass ich parteiisch wäre, aber meine Mama arbeitet dort.“ Angekommen in Tropea, bin ich überwältigt von der Schönheit der Altstadt. Die engen Gassen sind gefüllt mit dem Duft von frischem Brot und dem Klang der Nonnas, die sich lautstark aus den Fenstern zurufen. Die Ankunft bei meiner Gastfamilie ist herzlich. Die Türen öffnen sich, und ich werde von einer Welle italienischen Temperaments überrollt. Wangenküsse, lautes Gelächter und eine Menge Hände, die mir gleichzeitig etwas zu essen anbieten. Alle sprechen durcheinander – auf Italienisch, versteht sich. Ich lerne schnell, dass „tranquillo“ (Ruhig) das Lieblingswort meiner Gastmutter ist, auch wenn es im Haus alles andere als ruhig zugeht. Die ersten Stunden sind ein Ballett aus Handgesten und Google Translate, doch bald fühle ich mich wie ein echtes Familienmitglied.
MEIN ERSTER SCHULTAG - VERLAUFEN AUF ITALIENISCH
Tropeas Gassen sind ein malerisches Labyrinth, das jeden GPS-Satelliten zur Verzweiflung bringt. Bewaffnet mit einer handgezeichneten Karte meiner Gastmutter, die mehr Rätsel aufwirft als löst, mache ich mich auf den Weg zur Picola Università Italiana. Schnell stelle ich fest, dass „zweite links“ interpretierbar ist, besonders wenn jede Gasse verlockend aussieht. Jedes Strassenschild scheint eine Aufforderung zum Verlaufen zu sein. Jeder Passant, den ich nach dem Weg frage, gibt mir eine andere Wegbeschreibung – begleitet von wilden Gesten und einem herzlichen Schulterklopfen. Nach ein paar unfreiwilligen Runden durch Tropea – und dem unvermeidlichen Stopp, für einen Cappuccino mit Cornetto (wenn man schon mal verloren ist, kann man es auch geniessen) – finde ich meine Sprachschule. Ich bin nicht die Einzige, die zu spät kommt - ein Mitstudent aus Kanada kommt kurz nach mir. Keuchend. Und mit dem gleichen, verwirrten „zu spät und verloren“-Gesicht. Giulia, unsere Lehrerin begrüsst jeden mit einem verständnisvollen Lächeln und einem „Meglio tardi che mai!“ (Besser spät als nie!). Sie hat es offensichtlich öfters mit orientierungslosen Sprachschülern zu tun.
DAS LERNT IHR NICHT AUS DEN BÜCHERN, MEINE LIEBEN!
Meine Sprachschule ist ein charmantes altes Gebäude, mitten in der Altstadt. Gefüllt mit Geschichte und Charakter. Giulia ist energiegeladen und begrüsst uns mit einem Tempo, das selbst Muttersprachlern den Atem rauben würde. Ich lerne schnell, dass Nicken und Lächeln (das ich inzwischen perfektioniert habe) ein unverzichtbares Werkzeug sein wird. Der Sprachunterricht ist weniger eine gewöhnliche Schulstunde, dafür mehr ein unterhaltsames Zusammentreffen der Vereinten Nationen, mit Italienisch als offizielle Amtssprache – zumindest theoretisch. Meine Mitschüler sind eine farbenfrohe Truppe. Aus der ganzen Welt zusammengewürfelt. Jeder mit eigenem Akzent. Der Wortschatz von Alex aus Kanada, besteht fast ausschliesslich aus Fußballspielernamen. Lara aus Brasilien bringt Wärme und Rhythmus in die Klasse. Jeden italienischen Satz beendet sie mit einem leidenschaftlichen „Certo!“, egal ob es passt oder nicht. Und dann ist da noch Jonah aus den USA, der sich entschieden hat, Italienisch hauptsächlich durch das Zitieren alter Mafia-Filme zu lernen. Giulia hat eine unerschütterliche Geduld. Mit einer Prise Sarkasmus und einer unendlichen Liebe zu ihrer Sprache navigiert sie uns durch die Untiefen der italienischen Konjugationen und Geschlechter. Immer mit einer ermutigenden Geste oder einem schelmischen Zwinkern. Der Unterricht selbst ist eine Achterbahnfahrt aus „Aha“-Momenten und „Oh nein“-Fehlern. Jeder Tag bringt neue Vokabeln - manchmal flüssig ausgesprochen, manchmal gestolpert, aber immer mit einem Lächeln. Giulia versetzt uns in Situationen, die „typisch italienisch“ sind. Eine komplette Bestellung in einer Trattoria aufgeben (eine Herausforderung), sich über das Essen beschweren (noch schwieriger) und schließlich nach einem Rabatt fragen (nahezu unmöglich). Ihre Unterrichtsstunden sind gespickt mit Anekdoten aus dem italienischen Alltag, die oft enden mit: „Das lernt ihr nicht aus den Büchern, meine Lieben!“
TOMATEN MÜSSEN SINGEN, NICHT SCHREIEN!
Jeden Samstagmorgen begleite ich meiner Gastmutter Maria auf den Markt von Tropea. Das bunte Treiben ist ein Fest für die Sinne. Überall duftet es nach frischen Kräutern, reifen Früchten und sonnenwarmen Tomaten. Maria führt mich durch die Stände und lehrt mich, wie man die besten Zutaten auswählt. „Fühl die Tomaten“, sagte sie, „sie müssen singen, nicht schreien!“. Ich probierte „Nduja“, eine würzig-scharfe Streichwurst, die auf der Zunge zergeht, und „Cipolla rossa di Tropea“, die berühmte rote Zwiebel der Region, die überraschend süss schmeckt. Maria lacht herzlich über mein überraschtes Gesicht, als ich zum ersten Mal „Fileja“ probiere - eine traditionelle Pasta, mit einem Sugo aus Nduja und Zwiebeln. Zu Hause verwandeln sich unsere Marktbesorgungen in köstliche Mahlzeiten. Maria ist eine Künstlerin am Herd. Unter ihrer Anleitung lerne ich, wie man echte italienische Pasta macht – ein Ritual, das Geduld und viel Liebe erfordert. Wir verbringen Stunden in der Küche.
„DOLCE FAR NIENTE" SCHMECKT HIER NACH SALZWASSER UND ZITRONENSORBET
Die Nachmittage am Strand von Tropea, der Spiaggia Rotonda, sind wie gemalt: das türkisfarbene Wasser, die Montagna di Tropea, die majestätisch über dem Meer thront - ein Panorama wie aus einem Reiseprospekt – nur lebendiger, lauter und mit mehr Gelato-Verkäufern. "Dolce Far Niente" (das süße Nichtstun) schmeckt hier nach Salzwasser und Zitronensorbet. Die berühmte Grotta dell'Isola, der Star jedes Instagram-Feeds, ist nur einen kurzen, ambitionierten Schwimmtrip entfernt. Zwischen Selfie-schiessenden Touristen und sonnenbadenden Einheimischen bahne ich mir meinen Weg zu diesem magischen Ort. Der beste Zeitpunkt für das perfekte Foto ist übrigens kurz vor dem Nachmittag, wenn das Licht mystisch durch die Öffnungen bricht – natürlich nur, wenn die Sonne mitspielt und die Wellen nicht zu sehr fotobomben. Die Stunden fliegen dahin mit Sonnenbaden, Lesen (oder zumindest dem Versuch zwischen zwei Nickerchen) und dem Beobachten, wie mutige Seelen von den Felsen springen, getrieben von einer Mischung aus Adrenalin und dem Wunsch nach coolen Instagram-Posts zwischen dramatischen Klippen und kristallklarem Wasser. Wenn die Sonne langsam dem Horizont zustrebt, wandelt sich der Strand in eine Bühne für flanierende Familien, verliebte Pärchen und lebhafte Fußballspieler – das Dolce Vita in seiner reinsten Form.
CAPO VATICANO - SCHON DIE ANFAHRT IST EIN SPEKTAKEL
Es ist strahlender Morgen, als wir an Bord eines kleinen Bootes gehen. Der Kapitän, ein erfahrener Seebär mit dem Spitznamen „Il Capo“, begrüsst uns mit einem breiten, sonnengegerbten Lächeln und einem beeindruckenden Repertoire an Seemannsgeschichten. Mit einer Hand am Steuer navigiert er uns Richtung Capo Vaticano. Während der Fahrt offenbart sich die wahre Schönheit der Kalabrischen Küste. Klippen, die dramatisch in das türkisfarbene Meer stürzen, versteckte Buchten, die nur vom Wasser aus zugänglich sind, und das unvergleichliche Blau des Horizonts. Wir werfen den Anker in einer abgelegenen Bucht - so wunderschön, dass sie fast unreal wirkt. Das Wasser, kristallklar. Perfekt zum Schnorcheln und Schwimmen. Unter der Wasseroberfläche öffnet sich eine andere Welt – bunte Fischschwärme, geheimnisvolle Grotten und das sanfte Schwanken der Seegraswiesen. Auf der Rückfahrt bin ich mir sicher, dass diese Erlebnisse die Art von Geschichten sind, die ich noch meinen Enkeln erzählen werde.
Die Sonnenuntergänge in Tropea haben eine Magie, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Ich sitze auf einer Klippe, den Blick auf das endlose Meer gerichtet, während der Himmel seine Farben wechselt. Es fühlt sich an, als würde die Natur ihr eigenes Theaterstück inszenieren. Diese Momente bieten mir Gelegenheit, über meine Reise nachzudenken und Pläne für die Zukunft zu schmieden. Ich denke über die Freundschaften nach, die ich geschlossen habe, die sprachlichen Fortschritte und die kleinen Siege des Alltags. Tropea hat mir mehr beigebracht als nur Italienisch. Es hat mir gezeigt, wie ich mich in einer fremden Kultur zurechtfinden und öffnen kann. Die Sonnenuntergänge lehren mich, den Moment zu geniessen. Tropea ist nicht mehr nur ein Punkt auf der Karte, sondern ein Teil meiner Geschichte. Es ist der Ort, der mir unvergessliche Erinnerungen geschenkt hat, die ich mein ganzes Leben lang schätzen werde.
Tags: Erwachsene, Gastfamilie, Italien, Italienisch, Piccola Università Italiana Tropea, Tropea
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