Sprachaufenthalt Havanna Erfahrungsbericht von Livia
Erfahrungsbericht
Oktober, 2023 | Livia
«Buen provecho» - die Kellnerin stellt meinen Teller vor mir ab, und der Duft von frittiertem Essen steigt mir in die Nase. Mmhh.. Malangas Frittas. Ich nehme einen Schluck von meinem frischen «Jugo de Mango» - Mangosaft und beisse in die knusprige kubanische Köstlichkeit. Einer von vielen Gründen, warum ich Kuba liebe. Drei Wochen bin ich nun schon hier. Halbzeit. Am liebsten würde ich noch viel länger bleiben.
Nostalgischer Charme
Das war nicht immer so. Als ich gelandet bin, wollte ich am liebsten gleich wieder umdrehen. Ich war so nervös. Spanisch konnte ich nur einzelne Brocken. Mein Fahrer Antonio versuchte, sich mit mir zu unterhalten. Gab aber schnell auf, als er merkte, dass ich nicht wirklich viel verstand. Nur ab und zu zeigte er aus dem Fenster und erklärte etwas. «Restaurante» oder «Comida» soweit reichten meine Sprachkenntnisse. Aus dem provisorisch eingebauten Radio erklang kubanische Musik. Immer wieder sang er mit und klopfte rhythmisch mit dem Daumen auf das Lenkrad. Das Auto, ein alter, ich würde es schon Oldtimer nennen, Ford, wirkte sehr zusammengewürfelt. Wie ich mittlerweile weiss, ist es aufgrund der schwierigen Beziehungen zu den USA und westlichen Ländern nicht ganz einfach, Ersatzteile für Autos in Kuba zu bekommen. Diese Oldtimer gehören aber zu Kuba und geben dem Land einen nostalgischen Charme. Es gibt auch kaum moderne Gebäude. Viele Häuser sind schon etwas älter und im Kolonialstil gebaut.
So auch das Haus meiner Gastfamilie. Ein zweistöckiges Haus mit schnörkeligem Gitter-Balkon und etwas verblasster Farbe. Meine Gastgeberin Lydia begrüsste mich herzlich. Mit ihren 1.55m reicht sie mir gerade bis knapp an die Schulter. Ihr raues Lachen und der pinke Lippenstift machten sie gleich sympathisch. Sie sprach drauf los. Als sie merkte, dass ich sie nicht verstand, lachte sie laut und sprach dennoch weiter. Ich fands lustig. Liebevoll nahm sie mich bei der Hand und führte mich zu meinem Zimmer. Bei den wichtigen Erklärungen zeigte sie mit dem Finger oder machte Bewegungen nach, so dass ich es verstand.
Wie eine Familie in der Sprachschule
Mittlerweile funktioniert das mit dem Spanisch etwas besser. Zwar spricht Lydia teilweise immer noch etwas schnell, aber ich kenne mehr Worte und kann mir alles zusammenreimen. Sie tratscht gerne über ihre Nachbarn, Freundinnen und Bekannte. Dann driftet sie gerne ab. Ich finde es ultrakomisch und nicke immer fleissig, auch wenn ich’s nicht ganz verstehe.
Mein Spanisch verbessern kann ich auch dank des Unterrichts an der Estudio Sampere. Hier herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre. Von den Lehrpersonen bis zum Schulleiter. Man kennt sich beim Namen. Es fühlt sich nicht wie Schule an. Eher als würde man Freunde treffen. Dies wird besonders gefördert durch die gemeinsamen Essen direkt in der Sprachschule. Frühstück und Mittagessen werden vor Ort gekocht. Ich liebe es! Reis mit Gemüse, Fisch, Crevetten. Immer auf dem Teller: Avocado oder besser gesagt «Aguacate» und «Tostones», Kochbananen. Wie eine kleine Familie sitzen wir zusammen und erzählen von unserem Leben zu Hause und planen unsere Tage in Havanna.
Die Atmosphäre zieht sich bis in den Unterricht. Reina ist immer aufgeweckt und motiviert. «Buenas dias mi gente! Que bola?» Die Lektionen startet sie mit viel Energie. Wir starten damit, was wir am Vortag erlebt haben. Wenn ich erwähne, dass ich im Salsa Unterricht war, fordert sie mich auf, zu zeigen, was ich gelernt habe. Da wir nur zu dritt in der Klasse sind, macht mir das nicht viel aus. Wir lachen viel! Mit Reina fühlt es sich an, als würde eine Freundin mir Spanisch beibringen. Verstehen wir ein Wort nicht, versucht sie es uns zu erklären, zeigt es vor oder zeichnet es auf. So wird aus der Lektion eine Art Scharade-Spiel. Wir sprechen oft über die Unterschiede von Kuba zu unseren Heimatländern. Reina ist Kubanerin und erzählt, dass es nicht so einfach ist, das Land zu verlassen. Umso mehr interessiert es sie, wie wir in der Schweiz leben.
Wie in alten Zeiten
Auch abseits vom Unterricht merke ich, dass Kuba ganz anders ist als jedes Land, das ich bisher besucht habe. In Havanna fühlt es sich manchmal an, als wäre die Zeit um einige Jahrzehnte zurückgedreht worden. Die farbigen Oldtimer, die Häuser im Kolonialstil und das fast nicht vorhandene W-Lan. Mein Sprachaufenthalt wird ein wenig zu Digital-Detox Ferien. Internet gibt es nur in der Schule oder mit einer Internetkarte in entsprechenden Wi-Fi Parks oder den grossen 5-Sterne Hotels. Mein Handy lasse ich deshalb oft zu Hause. Wenn ich mich mit Freunden verabrede, machen wir dies schon in der Schule ab. Ich finde es schön, nicht ständig erreichbar sein zu müssen.
Meine Tage sind so bepackt mit Erlebnissen, dass ich auch kein Internet benötige, um mich auf Social Media zu beschäftigen. Zweimal die Woche besuche ich den Salsakurs der Sprachschule. Für mich ein Muss hier in Kuba. Denn in fast jeder Bar spielt früher oder später eine Liveband. Salsa, Son Cubano, Chachachá. Wer gerne tanzt, ist in Kuba gut aufgehoben.
Während zwei Stunden wird gelernt, was das Zeug hält. Von den Grundschritten, den «Pasos», oder den sinnlichen Bewegungen, den «Movimientos». Nach zwei Stunden bin ich nassgeschwitzt, aber überglücklich. Das Tanzen gemeinsam mit der Musik gibt mir ein Gefühl von Freiheit.
Bunt, bunter, Havanna
Bin ich nicht auf der Tanzfläche, findet man mich irgendwo am Erkunden von Havanna. Am besten gefällt mir Habana Vieja. Hier regiert die Farbe. Von den Häusern bis zu den Autos. Blau, gelb, rot, orange. Kunterbunt! Cubanos sitzen auf Stühlen an der Strasse oder spielen Domino. Wäsche hängt von den Häusern. Und von überall ertönt Musik.
Spaziert man durch Havanna, kommt man nicht an Che Guevara vorbei, der Schlüsselfigur der kubanischen Revolution. Ob als Statue oder als Graffiti auf Hausmauern. Überall taucht er auf. Ich empfehle jedem, das Museo de la Revolución zu besuchen, um mehr darüber zu erfahren. Hier lerne ich, wie Che bekannt wurde, welche Rolle Fidel Castro spielte und weshalb es überhaupt zur Revolution gekommen ist.
Mein absoluter Lieblingsplatz in ganz Kuba ist der Malecón. Hier verbringe ich fast jeden Abend und schaue den Sonnenuntergang. Allein bin ich nie. Nicht nur sind einige meiner Schulfreunde hier, auch viele Cubanos kommen hierher, um ihr Feierabendbier, oder hier eher den Feierabend-Rum, zu geniessen. Jeden Tag kommen zahlreiche neue Fotos vom Sonnenuntergang in meiner Galerie dazu. Keiner sieht aus wie der andere. Jeder ist einzigartig.
Tabakplantagen, Karibik und Gastfreundschaft
Natürlich möchte ich auch noch weitere Teile von Kuba sehen. In Viñales verliebe ich mich noch mehr in das Land. Saftig grüne Tabakplantagen, rote Erde, stahlblauer Himmel und kleine farbenfrohe Farmen mittendrin. Der Kontrast ist einmalig. Über die Schule habe ich den Ausflug gebucht. Gemeinsam mit einem Guide reiten wir auf Pferden durch die Landschaft, laufen durch enge Höhlen mit Stalaktiten und probieren Zigarren der Tabakplantagen.
Weitere Wochenendausflüge bringen mich in das ruhigere Trinidad und das karibische Varadero. Jedes Mal bin ich wieder aufs Neue begeistert. Besonders auch von der Gastfreundschaft der Kubaner. In den Casa Particulares, den Gasthäusern, wird man herzlich empfangen und betreut. Englisch sprechen die Wenigsten. Ich bin froh, werden meine Spanischkenntnisse immer besser. Diese Unterhaltungen sind immer spannend und würde ich nicht missen wollen. Zudem geben sie gerne ihre Kontakte von Unterkünften in anderen Städten weiter. Auf der ganzen Insel verteilt haben sie Freunde, Bekannte oder Familie mit freien Zimmern.
Für fast überall in Kuba habe ich nun Kontakte von Gasthäusern. Leider reicht die Zeit nicht, alle zu besuchen. Da muss ich wohl wieder kommen…😉
Tags: Erwachsene, Estudio Sampere Havanna, Havanna, Kuba, Spanisch
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